Hier die Rede von Julian Klippert zur Aktuellen Stunde in der Ratssitzung vom 25.10.2018:
Verehrter Oberbürgermeister Schostok,
sehr geehrte Damen und Herren,
ich denke, wir sind uns alle einig: niemand mag Armut. Es ist schrecklich, sie allgegenwärtig zu sehen, vor allem so konzentriert in der Innenstadt und am Hauptbahnhof. Dies ist eigentlich ein glücklicher Ort, Menschen reisen zu ihren Liebsten, Menschen wollen konsumieren und genießen. Aber die Stadt ist vollgestopft mit Menschen, die nichts besseres zu tun haben, als uns vor Augen zu führen, dass wir eigentlich ganz schön viel Glück hatten. Glück am richtigen Ort und zur richtigen Zeit geboren worden zu sein.
Da setzt das Sicherheits- und Ordnungskonzept schon richtig an: Weg damit! Weg mit denen, die uns ihr Elend aufzwingen wollen! Denn es muss heißen: Ordnung über alles!
In unserem damaligen Änderungsantrag für noch mehr Sicherheit und noch mehr Ordnung im öffentlichen Raum wollten wir das Konzept bis zu Ende denken: dabei, so scheint es, ist das nun fast gar nicht mehr nötig. Es ist daher an der Zeit für eine Debatte, eine Debatte darüber, wie unser Zusammenleben in dieser Stadt aussehen soll.
Machen wir weiter, und erlassen immer neue Verordnungen, um die Menschen weiter aus den Räumen der Innenstadt auszusperren? Die Ärmsten unsere Gesellschaft von hinter dem Bahnhof, wieder vor den Bahnhof zu treiben immer hin und her?
Die Deutsche Bahn sprach im Verkehrsausschuss der Region davon, wie sie sogenannte “Unkunden” durch ihre Umbauarbeiten am Hauptbahnhof effektiver verdrängen wollen. Der Umgang ist ein bisschen wie mit der Straßentaube. Sie ist da und wir suchen Wege sie effektiv vom “Da sein” abzuhalten. Schade, dass die Zahl der Obdachlosen nicht durch das Legen von Eiern entsteht, da hätten wir eine Idee, so bleibt aber nur eins zu tun: alle raus aus der Innenstadt und eine Mauer um das Elend rum, damit wir es nicht mehr sehen müssen!
Neben der DB, gibt es weitere Vorreiter: Unsere Nachbarn aus Braunschweig haben kürzlich erst sogenanntes “Lagern” und “Verweilen” verboten. Aber für wen eigentlich? Müssen wir nicht einen Schritt weiter gehen und unsere kleine Ordnungspolizei anweisen, Kaufkraftkontrollen durchzuführen? Wie soll man sonst entscheiden, wer verweilen darf und wer nicht? Warum sollen auch die auf unserem rutschigen Pflaster flanieren, die nicht genug Moneten haben, um zu konsumieren?
Doch wie weiter mit der Straßenmusik? Ein schneller Kundenwechsel, so heißt das Zauberwort – schnell rein, schnell raus. Wer draußen stehen bleibt, vergeudet Zeit, die er zum Geld ausgeben sinnvoller nutzen könnte.
Also: Ruhe! Ruhe auf den Straßen, damit keiner innehält, draußen stehen bleibt. Straßenmusik stört nicht nur, sie kostet Zeit, Nerven und vor allem Geld!
Und wie schaut es aus mit Demonstrationen? Nach der Mülldebatte in der letzten Ratsversammlung, in der das Ampel-Bündnis gegen den Vorschlag der sofortigen Strafzahlungen an Müllsünder*innen argumentierte, hatten wir schon befürchtet, dass jetzt der Aufschrei groß sein wird, dass jemand bei seinem ersten Verstoß und dann als Veranstalter einer Demonstration für den Erhalt der Grundrecht gleich mit 500€ zur Kasse gebeten wird.
Zum Glück erinnert sich niemand in der FDP mehr daran, dass sie diese Grundrechte mal mit verfasst haben, sind sie doch so mit der “Strabs” beschäftigt und die Grünen sind zwar laut, aber das nur im Landtag, denn da haben sie einen Vorteil gegenüber ihrer Ratsfraktion und der heißt: Opposition.
Ich weiß, die Grünen würden sich mehr Empathie für die finanzschwachen in unserer Gesellschaft wünschen, doch beim Sicherheit und Ordnungskonzept folgten keine Taten, nur darüber reden, ändert zum Glück für unsere hochgelobte Ordnung nichts!
Machen wir also weiter womit wir schon angefangen haben und führen nun auch Kaufkraftkontrollen ein, vertreiben Obdachlose, Junkies und Hartz IV Empfänger*innen endlich aus der Innenstadt und Straßenmusik und Demonstrationen verbieten wir sowieso, denn die stören doch nur die Sicherheit und Ordnung beim Shopping!
Es gibt natürlich auch eine andere Möglichkeit:
Wir kümmern uns endlich um einen Masterplan für obdach- und wohnungslose Menschen, in dem natürlich auch suchtkranke Menschen mitgedacht werden müssen, schließlich bedingt das eine oft das andere. Unser Änderungsantrag zum Kompass wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Stadt und Polizei sorgen dafür, dass Demonstrationen besonders geschützt und nicht durch horrende Reinigungskosten in Zukunft verhindert werden und begleichen die nicht durch den Veranstalter verursachten Kosten der Rechnung der #NoNPOG-Demo.
Wir überarbeiten das Konzept der Straßenmusik dahingehend, dass die Szene der Straßenmusik weiterhin einen festen Platz in unserer Stadt hat, und wenn nicht, wird Die PARTEI gerne weiterhin Mahnwachen mit Verstärker anmelden und so Straßenmusiker*innen einen Raum zu gewähren, denn mit dieser Lücke umgehen wir nämlich aktuelle die Regeln vom Ordnungsdienst!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.