Ehrenfester Herr Oberbürgermeister,
werte Abgeordnete,
geschätztes Publikum,
jüngsthin scheint es, als gäbe es in der Landeshauptstadt Hannover nur noch ein Sujet1. Allenthalben spricht man vom vermeintlichen Verfall der Sprache, ausgelöst durch die frevelhafte Schurkerei der Verwaltung, mehr Gleichheit im öffentlichen Sprachgebrauch schaffen zu wollen.
So wird ein ursprünglich hehres2 Ziel, plötzlich als Affront verstanden – es werde gar versucht, männlich und weiblich durch absolute Neutralität aufzulösen, heißt es. Und manch ein Geck3 denkt sogar, das die neue Regelung in letzter Konsequenz verschreibe, persönliche, namentliche Ansprachen durch ein schlichtes “Hey, Sie!” zu ersetzen. Mit solcherlei Auswüchsen haben die Malocher4 aus 18 LS wahrlich nicht rechnen können.
Doch ist es nun einmal so, dass sich manch ein Wagehals als wackrer Kämpe5 versteht und meint, aus allem ein Schlachtfeld machen zu müssen. Selbst dann noch, wenn es klüger wäre, eben dies tunlichst zu vermeiden – schließlich sind nicht alle von uns Grammatik-Genies (obgleich sich erstaunlich viele dazu berufen fühlen).
Ich sehe ein, dass es gewisslich nicht immer leicht ist, sich mit allen Feinheiten der teutschen6 Sprache auszukennen, derohalben7 lassen Sie mich Ihnen nochmal sagen:
Das generische Maskulinum ist niener8 eine grammatische Regel, sondern nicht mehr als eine kommode9 Konvention, die sich über die Jahre verstetigt10 hat. Damit steht fest, dass die teutsche Sprache in dieser Form eine Ungerechtigkeit in sich birgt, da sie holde Maiden nicht inkludiert, von inter/transsexuellen Personen ganz zu schweigen. Diese Ungerechtigkeit scheint demnach immer vorhanden gewesen sein, denn während es ‘schon immer’ in Ordnung war, Frauen hinter dem männlichen Substantiv zu verstecken, konjizieren11 einige nun, dass “Gendering” den Mann verweibliche. Wehren sich Frauen gegen eine “Vermännlichung” sind sie hingegen hysterisch – amüsant, kennt man “Hysterie” doch auch eher aus dem 19/20. Jahrhundert!
Maskuline Formen von Substantiven sind und waren nämlich nie geschlechtsneutral. Keine Maid ist automatisch mitgemeint und wirft man einen näheren Blick auf die Sprachgeschichte, wird auch deutlich warum: Historisch betrachtet waren zu fast allen Zeiten Knasterbärte12 die einzigen, die im öffentlichen Leben eine Rolle gespielt haben.
Sprachwandel ist per se nichts bedenkliches und nur ein Gauch13 verkennt solcherlei Prozess als drohenden Verfall. Und wenn also nun Ungleichheit geändert werden soll, so stellt dies bei weitem keinen Affront dar!
Fakt ist, dass Sprache bisher gewisse Gruppen aus der Gemeinschaft ausgegrenzt hat. Und wenn es nach vermeintlich Größjährigen14 geht, bleibt das wohl auch so, nur damit sie an altertümlicher, patriarchaler Gesinnung festhalten können. Sprache sollte sich forthin allerdings dahin entwickeln, dass sowohl das gesprochene als auch das geschriebene Wort in dieser Gemeinschaft wirklich alle miteinschließt – alles andere wäre wahrlich ein Malefiz15. Hannover hat jetzt die Möglichkeit, dies als Vorreiter zu erreichen, insofern auch Schwadroneure16 ihren Intellekt gebrauchen und einfach wirklich alle meinen, wenn Eine*r schreibt oder spricht. Dies kann nämlich leichthin geschehen, es braucht nur den nötigen Fiduz.
Ihr andächtigen Zuhörer, hadert ihr noch? So lasset mich Stimmen aus dem Volk verlesen:
1.
Eine junge Wissenschaftlerin aus H. möchte das Plenum daran erinnern, dass Gerechtigkeit kein Kuchen ist, der irgendwann alle ist. Jeder Mensch kann davon profitieren und sollte es nur ein einzelner Mensch sein, der durch unsere Sprache durch das Raster fällt, würde es sich lohnen, das Alltäglichste zu hinterfragen: Unsere Sprache. Wir wissen aus der Forschung, dass die Sprache unser Denken limitiert und wir wissen aus der Forschung, dass ein statistisch relevanter Anteil der deutschen Bevölkerung sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen kann oder will. Schauen wir also nicht weg! Tun wir nun bitte nicht so, als würden wir dadurch Privilegien einbüßen. Wir leben in 2019 und diskutieren über einen Stern?
2.
Wir vom Andersraum freuen uns, dass auch Menschen, die sich nicht binär verorten (können), nun endlich respektvoll angesprochen werden. Wer nicht benannt wird, wird auch nicht gedacht. Wer benannt wird, wird sichtbar. Vielen Dank an alle, die sich für geschlechtergerechte Sprache in der Verwaltung einsetzen!
3. Die Gesellschaft ändert sich und mit ihr ändert sich Sprache. An alle, die jetzt einen zornesroten Kopf bekommen: Gewöhnt euch daran. Man muss davor auch gar keine Angst haben. Das Schöne an einer geschlechtergerechten Sprache ist ja, dass niemand etwas abgeben muss und niemand etwas verliert. Es ist nämlich keineswegs so, dass aus einer maskulinen eine feminine Sprache wird. Dass aber eine maskuline Sprache Geschlechterstereotype zementiert, ist psychologisch belegt. Es geht um Selbstwirksamkeit.
Und zuletzt, um Roger Willemsen zu zitieren:
Dazu kommt, dass Demokratie nicht Herrschaft des Volkes ist, sondern Schutz der Minderheit unter dem Protektorat der Mehrheit.
Vielen Dank.
1 Thema
2 erhaben, relevant
3 Narr oder alberner Mensch
4 Arbeiter
5 Krieger, jemand der für eine Sache einsteht
6 alt Mittelhochdeutsch für “deutsch”
7 deshalb
8 weniger oder nicht
9 bequem oder gemütlich
10 gefestigt
11 vermuten
12 alter, mürrischer Mann
13 Dummkopf
14 Erwachsene oder Alte
15 Streit oder Verbrechen
16 Schwafler