Stadtanzeiger West, 06.06.2019
Döhren Wülfel, knapp 35.000 Einwohner, im Süden von Hannover gelegen, Eilenriede und Maschsee laden nebenan zum Verweilen ein. Eine Idylle, die ihresgleichen sucht. Im Stadtbezirksrat hingegen herrscht nackte Angst vor allem: Fahrradfahrer, einer neuen Südschnellwegbrücke statt eines Tunnels, psychisch kranke Patient*innen einer Klinik, die „draußen herum laufen dürfen und schreien“, beleuchtete Werbung an Bushaltestellen, … die Liste könnte sehr lang weitergeführt werden. Seit zwei Jahren nun schlägt sich Fraktionsmitarbeiter Jan Weinmann als Stadtbezirksratsherr mit dem Bodensatz deutscher Kommunalpolitik herum (Stadtbezirksräte dürfen sehr wenig bis nichts entscheiden, aber dazu später einmal mehr).
Highlight des bürokratischen Irrsinns ist seit ca. einem Jahr das Neubaugebiet Kronsrode. Ein sehr, sehr kleiner Teil dieses Neubaugebietes ragt bis in Döhren-Wülfel hinein. Unabhängig davon, dass die Stadtbezirksräte beim kompletten Bauvorhaben recht wenig zu melden haben (eigentlich genau genommen nichts), werden trotzdem alle Anträge, die das Neubaugebiet betreffen, auch in den Stadtbezirksräten besprochen und es wird darüber abgestimmt. Und bei Neubauvorhaben dieser Größenordnung sind das sehr, sehr viele Seiten Papier, die man auch nicht abbestellen kann, weil man sie automatisch mit der Ratspost bekommt. Weinmann also fand das alles ziemlich viel Aufwand für a) ziemlich wenig Mitspracherecht und b) ziemlich wenig tatsächliche Neubürger in Döhren-Wülfel und c) dafür unangemessen viel Arbeit und Papierkram und wollte daher, dass die 3 Häuser ausgegliedert werden.
Der Antrag wurde im Juni 2018 im Stadtbezirksrat Döhren-Wülfel abgelehnt:
Der Nachbarbezirk Kirchrode-Bemerode-Wülferode, quasi Hauptanteilseigner des neuen „Mini-Stadtteils“ Kronsrode, bekam aber offenbar Wind von dem Antrag, sodass er im dortigen Stadtbezirksrat im November 2018 in leicht angepasster Form eingebracht und einstimmig angenommen wurde.
Womit wir im Jahr 2019 wären, Weinmann den Antrag wegen des Erfolgs im Nachbarbezirk also erneut eingebracht hat, wieder mit tatkräftiger Unterstützung des Einzelvertreters der FDP (Antrag siehe hier). Schlussendlich wurde der Antrag im Mai 2019 in Döhren-Wülfel haarscharf mit 8 zu 6 Stimmen abgelehnt. Die Diskussion über den Antrag, tatsächlich geführt von erwachsenen (Feierabend-) Politiker*innen war gekennzeichnet von:
- Der Wut auf diesen frechen Nachbar-Bezirksrat, der es wagt zu beschließen, Döhren-Wülfel etwas wegzunehmen (wobei er faktisch noch gar nichts zum wegnehmen hat, weil es ja tatsächlich noch nicht existiert, dieses Neubaugebiet, und die künftigen Bewohner)
- Der Angst davor, als Stadtbezirk kleiner zu werden (dabei hat Döhren-Wülfel kürzlich erst einen Zipfel aus Laatzen bekommen!)
- Der Angst davor, potentielle Neubürger zu verlieren und dann
wenigergleich viel Etat zur Verfügung zu haben (am Ende des Jahres könnte man ja davon ein paar Hundekotbeutelspender mehr oder 1-5 mehr Hütten für den Weihnachtsmarkt kaufen, weil man sonst nicht weiß wohin mit dem ganzen Geld, was man als Stadtbezirk jährlich so frei verballern darf) - Dem „polemischen“ aber durchaus ernstgemeinten Ausbruch von CDU-Fraktionschefin Gabriele Jakob, warum die beiden Herren denn nicht den Antrag gestellt hätten, „Kronsrode komplett in Döhren-Wülfel einzugliedern,“ statt drei Häuser aus Döhren-Wülfel rausschmeißen zu wollen (Fun Fact: Kirchrode-Bemerode-Wülferode hat 32.069 Einwohner und Döhren Wülfel 34.512*)
Die Fraktion Die FRAKTION überlegt derzeit noch, wie sie in dieser Sache weiter verfährt. Im Zweifel werden wir einfach der Argumentation und dem Vorschlag von Gabriele Jakob folgen.
In diesem Sinne: Döhren-Wülfel first!
*Quelle: Strukturdaten der Stadtteile und Stadtbezirke 2018