Mit etwas Verspätung, aber wie angekündigt, zeigen wir hier nun die absoluten Highlights der „Aktuellen Stunde zur geschlechtergerechten Sprache“ vom 28.02.2019. Das Protokoll ist übrigens für jeden öffentlich hier>> einsehbar. Wir erlauben uns übrigens, eklatant falsche Behauptungen von studierten Germanist*innen richtigstellen zu lassen.

Es beginnt der Antragssteller der aktuellen Stunde: Ratsherr Wruck von der Fraktion „Die Hannoveraner“. Diese Fraktion gab es schon vor der AfD, sonst nehmen sie sich politisch nicht viel, außer dass Opa Wruck ab und zu vernünftige Sachen sagt, dann irgendwie immer extrem falsch abbiegt, um dann doch wieder in der hintersten rechten Ecke zu landen.  In dieser Rede kommt er da gar nicht erst raus, aber was soll man sagen: Opa Wruck fühlte sich sicher noch nie vom generischen Maskulinum ausgeschlossen, daher ist seine ganze Rede ein einziges Highlight:

Ratsherr Wruck (DIE HANNOVERANER) führte aus, dass die Empfehlung für eine gendergerechte Verwaltungssprache in Hannover nicht nur undemokratisch, weil nicht vom Rat beschlossen, sondern auch eine Täuschung sei. In Wahrheit sei diese eine verbindliche Anweisung zu einem standardisierten Schriftverkehr für die städtischen Mitarbeiter*innen. Denn diese läge eindeutig fest, dass diese Regelung für sämtlichen Schriftverkehr der Verwaltung gelte.Die meisten Bürger*innen nähmen den „Genderunfug“ nicht ernst und würden diesen deshalb geschehen lassen, obwohl sie diesen ablehnten. Ratsherr Wruck erläuterte, dass das genderistische Neusprech Teil eines von linken Eiferern gewollten, umfassenden Kulturbruchs1 sei, der den Menschen an bestimmte sozialistische und globalistische Ge- und Verbote aufrichten und ihnen damit die Freiheit nehmen wolle. Das genderistische Neusprech sei eine regulierende und kontrollierte Sprachumformung der Normalsprache. Dabei würden grammatische Regeln verletzt und das Vokabular insgesamt begrenzt2. Die einzelnen Wörter würden in ihrer Form, Komposition und Bedeutung neu festgelegt. Die Sprache würde politisch instrumentalisiert. Der Genderismus verlange, dass das biologische Geschlecht Sexus und das grammatische Geschlecht Genus deckungsgleich zu einer Person sein müssten3. Die Bezeichnung einer weiblichen Person durch ein maskulines Wort würde als Diskriminierung aufgefasst4 . Denn das weibliche Geschlecht solle sprachlich immer erkennbar sein5. Ratsherr Wruck stellte klar, dass schon allein daran erkennbar sei, dass es nur zwei natürliche Geschlechter6, jedoch im Deutschen die drei Genera Maskulinum, Femininum und Neutrum gäbe, dass biologisches und grammatisches Geschlecht nicht identisch wären3. Das grammatische Geschlecht würde zwar häufig, jedoch keineswegs immer, mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmen3. Denn nicht nur Sachen, sondern auch Personen könnten im grammatischen Neutrum stehen. Abschließend verwies Ratsherr Wruck auf diverse Beispiele zum Vorangegangenen und konstruierte (mögliche) sprachliche Kuriositäten.

1 Es geht um Schreiben bzw. schriftliche Kommunikation der Verwaltung an/mit den Bürger*innen. Nicht um einen Roman, eine Novelle oder einen Band Prosa. Seit wann sind Schreiben der Verwaltung ein schützenswertes deutsches Kulturgut?
2 Es gibt KEINE REGEL für das generische Maskulin. Das generische Maskulinum ist eine Konvention. Es handelt sich sogar um eine historisch eher junge Konvention, die nicht einmal durch besondere Stabilität gekennzeichnet ist. Partizipien als Substantive wie Lehrende statt Lehrer sind vollkommen normal.
3 NEIN, und wir zitieren:
„Wir erinnern uns: Genus ist diejenige grammatische Kategorie im Deutschen, die u. a. Substantive einer der drei Formklassen Maskulinum, Femininum und Neutrum zuweist (der Sessel, die Bank, das Sofa). Es handelt sich um eine innersprachliche Unterteilung. Sexus hingegen ist eine Kategorisierung, die Außersprachliches meint. Sie betrifft die Unterscheidung von Menschen (und anderen Lebewesen) nach biologisch definierten Geschlechtsmerkmalen. Die Erkenntnis der Verschiedenheit von Genus und Sexus ist nun keineswegs neu, insbesondere ist sie allen, die sich mit geschlechtergerechter Sprache befassen, vertraut. So widmet sich im Dudenratgeber „Richtig gendern“ ein ganzer Abschnitt dieser Differenzierung (Diewald & Steinhauer 2017: 14–25); und auf Seite 19 wird in einem Merkkasten festgehalten: „Genus ist nicht gleich Sexus“. Wieso aber wird dann immer wieder mit der lautstark geäußerten Binsenweisheit „Genus ist nicht gleich Sexus“ zum einen die angebliche Ignoranz der GegnerInnen des „generischen Maskulinums“ angeprangert und zum andern das Ende der Debatte gefordert? Weil versucht wird, über diesen Unterschied – den Unterschied zwischen Genus und Sexus – die Einordnung des sogenannten generischen Maskulinums als Bestandteil des Sprachsystems zu begründen. Genau dies kann jedoch nicht gelingen. Mit der Opposition zwischen Genus und Sexus kann man das sogenannte generische Maskulinum weder begründen noch ablehnen. Die Problematik des „generischen Maskulinum“ hat mit der semantischen Unterscheidung ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ bei den beteiligten Lexemen, also mit dem lexikalischen Inhalt der Substantive, zu tun. Das semantische Merkmal ‚weiblich‘ ist Bestandteil der Bedeutung von Substantiven wie Frau, Weib, Großmutter, Malerin, Professorin, das semantische Merkmal ‚männlich‘ ist Bestandteil der Bedeutung von Substantiven wie Mann, Männchen, Großvater, Maler, Professor. Das grammatische Genus ist dabei nicht entscheidend: Frau weist das Genus Femininum auf Weib hingegen das Genus Neutrum; Mann das Genus Maskulinum, Männchen das Genus Neutrum.“ aus: Gabriele Diewald „Zur Diskussion: Geschlechtergerechte Sprache als Thema der germanistischen Linguistik – exemplarisch exerziert am Streit um das sogenannte generische Maskulinum“
4 DARUM GEHT ES DOCH GAR NICHT. Sprache ist vom Denken geprägt und Sprache prägt das Denken. Zugleich ist Sprache die Grundlage jeglicher gesellschaftlichen Interaktion und kein geistig gesunder Mensch will eine Gesellschaft, die sprachlich Menschen ausschließt. Das generische Maskulinum ist eine f** Konvention, KEIN sprachliches Gesetz. War es auch nie, es kommt einfach aus uralter Zeit, als Berufe eben noch nicht von Frauen bekleidet wurden, weil SURPRISE Frauen früher keine Relevanz im öffentlichen Leben und somit auch nicht im Sprachgebrauch hatten. Diskriminierung rührt nicht vom grammatischen Geschlecht her, sondern von der Konvention und von Kackspaten, die vehement an etwas festhalten, das NICHT MEHR ZEITGEMÄß IST. [Anm. d. Redaktion: auch Germanist*innen werden mal sauer]
5 Ähm, NEIN!
6 Wieder, NEIN: https://genderdings.de/koerper/intergeschlechtlichkeit

Das war jetzt etwas unangenehm und wir kommen daher zur gleichstellungspolitischen Sprecherin der sPD, Maxi Carl:

Ratsfrau Dr. Carl (SPD) erläuterte, dass es um eine adressatengerechte Sprache gehe, um eine Sprache, die alle Menschen, egal welcher geschlechtlichen Identität, anspräche. Darüber hinaus gehe es um ein einheitliches Schriftbild der Verwaltung, unter Einbezug aller Menschen, nach außen. Ratsfrau Dr. Carl wies darauf hin, dass es im vorliegenden Fall um eine gendergerechte, eine geschlechterumfassende Sprache und nicht um Mann und Frau ginge. (…) Ferner habe das Bundesverfassungsgericht in höchstrichterlicher Entscheidung, wegweisend entschieden, dass es ein drittes Geschlecht gäbe. (…)

Danke Maxi! Danach kam die CDU. Schwieriges Thema für die CDU, schließlich gehen sie auch kommunal auf Kuschelkurs mit den Grünen, aber man darf ja die Wähler auch nicht zu sehr verprellen… also ist man tendenziell erstmal dagegen, tut ja auch niemandem weh solange man nicht das Zünglein an der Waage ist:

Ratsfrau Jeschke (CDU) erörterte, dass Sprache beheimate, ausgrenze, erniedrige und erhöhe sowie entmenschlichen könne. Über Sprache gestalte sich in der Demokratie politischer Diskurs. Ratsfrau Jeschke konstatierte, dass Politik, einschließlich Verwaltung, für Sprache mitverantwortlich sei. Was und wie man etwas sage, wirke und setze Maßstäbe, weil es Öffentlichkeit nicht nur entfalte, sondern sogar beanspruche. Ratsfrau Jeschke machte deutlich, dass die Politik nicht für Sprache zuständig sein sollte. Denn eine Sprachänderung von oben habe noch nie zu einer Änderung von Denken und Handeln geführt. (…) Allerdings habe die sprachliche Gleichbehandlung längst noch nicht zu einer wirklichen Gleichberechtigung geführt. Denn, mit Ausnahme der Fraktion der Bündnis 90/Die Grünen, wären in allen Ratsfraktionen die Frauen immer noch unterrepräsentiert. Ratsfrau Jeschke zweifelte an, dass Sprache allein etwas an Strukturen und Verhältnissen ändern würde (…) wonach Trans-Personen die klare Einteilung zwischen Mann und Frau wollten. Die Auffassung, dass der Gender Star verwische und der Gender Gap betone. Der Fakt, dass intersexuelle Personen die Bezeichnung Diverse ablehnten, obwohl man sich auf Bundesebene darauf verständigt habe1. Zudem seien auch diejenigen zu beachten, für die man die einfache Sprache eingeführt habe2. Ratsfrau Jeschke unterstrich, dass man aufpassen sollte, dass man nicht in dem Bestreben, Ungerechtigkeiten beseitigen zu wollen, neue festschreibe.3

1 Sie sehen live: Whataboutism! Was hat diese Argumentation mit geschlechtergerechter Sprache zu tun? Sie wirft hier Diskussionen um Begrifflichkeiten innerhalb der Community als Argument in den Topf, und suggeriert dadurch, dass um geschlechtergerechte Sprache kein einheitlicher Konsens bzw. Support herrsche
2 Ja, leichte Sprache ist inklusiv. Das soll auch geschlechtergerechte Sprache sein. Geschlechergerechte Sprache und leichte Sprache schließen sich nicht aus.
3 Steile These! Wir haben da neulich andere Thesen gefunden, ach was. Keine Thesen, Studien: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/queerspiegel/studie-aus-schweden-geschlechtergerechte-sprache-wirkt/24906988.html

Direkt darauf folgten Die Grünen:

Ratsfrau Steinhoff (Bündnis 90/Die Grünen) erläuterte, dass heute eine andere Lebensrealität, als von vor 100 Jahren herrsche. Männer hätten nicht mehr allein das Sagen in Politik, Arbeitsleben, Familie und Gesellschaft insgesamt. Und genau deshalb sei es jetzt höchste Zeit, dass sich das in der Sprache widerspiegeln möge! (…) Ratsfrau Steinhoff betonte, dass es nicht darum ginge jemanden etwas wegzunehmen oder zu etwas zu zwingen, sondern darum, Respekt zu zeigen. Respekt gegenüber Menschen, die sich nicht als Männer verstünden, aber auch nicht als Frauen. Es gehe um Sichtbarkeit für die, die von der Sprache unsichtbar gemacht worden wären und die, die nie mitgemeint worden wären, weil niemand an sie gedacht habe. (…)

Wir sammeln jetzt erstmal ein bisschen Kraft für Teil 2, denn es kommen noch: Linke / Piraten, AfD, FDP und Einzelvertreter und Ex-AfD Braune.

Unsere Rede findet sich übrigens hier und den Stein des Anstoßes, den Flyer „FÜR EINE GESCHLECHTERGERECHTE VERWALTUNGSSPRACHE“ findet man hier oder als Direktdownload (pdf) hier!