Juhu, endlich wieder Ratsversammlung! In der leider schon vorletzten Sitzung vor der Sommerpause treffen sich die Ratsmitglieder Pandemie-bedingt wieder im HCC und nicht im Ratssal im Neuen Rathaus.
Wir beginnen mit einer Ermahnung vom Sitzungsleiter Hermann: Er bittet darum Anträge, die auf der Tagesordnung stehen nicht extra vorzulesen. Schließlich hat sie sowieso schon jeder gelesen. An wen er diese Bitte vor allem richtet, wird sich später wieder einmal zeigen.
Außerdem weist er darauf hin, dass bei Dringlichkeitsanträgen nur zur eigentlichen Dringlichkeit gesprochen werden soll >> (kurzer Exkurs: Dringlichkeitsanträge werden nach der abgelaufenen Frist eingereicht und beziehen sich auf aktuelle Ereignisse – um diese in der Sitzung besprechen zu können, muss der Rat über die Dringlichkeit abstimmen, damit der Antrag in die Tagesordnung aufgenommen wird. Stimmt keine Mehrheit für die Dringlichkeit, wird der Antrag in der Sitzung nicht behandelt).
In der Sitzung vom Mai gab es vor allem dank Corona wieder einige Dringlichkeitsanträge.
Die AfD hat zudem beantragt, dass OB Belit Onay künftig die AfD und /oder Nazis nicht mehr„ekelhaft“ und „perfide“ nennt und des „Rassismus“ bezichtigt (den Antrag findet ihr hier >>) Fraktionsvorsitzender Hauptstein soll dem Rat dann also erklären, warum der OB das jetzt sehr dringend tun sollte >>, eben so Zitat Hermann „zur Dringlichkeit!!“ sprechen.
Die nächsten 2 Minuten streiten Hauptstein und Hermann dann zur Dringlichkeit und H1 würgt das leider (aber sehr nonchalant) ab >>.
Im letzten Beitrag über die Sitzung vom April (check hier >>) haben wir ja erwähnt, dass Ex-AfD Braune den Rat gefragt hat, ob er denn „Noah“ kenne. Die Verabschiedung des Protokolls eskalierte in dieser Mai Sitzung nun ein wenig, das liegt vor allem daran, dass es in Hannovsie keine Wortprotokolle, sondern Inhaltsprotokolle gibt. In diesen Verlaufsprotokollen wird das Gesagte auf den Kern bzw das Wichtigste zusammengefasst – nun finden die einen vielleicht die Frage, ob die Ratsmitglieder Noah kennen wichtiger als andere – aber grundsätzlich bietet solch ein Verlaufsprotokoll schon mehr Zündstoff als ein Wortprotkoll, schließlich findet ja jede*r Politiker*in jedes von Wort von sich selbst ziemlich wichtig. Braune jedenfalls beschwert sich >>, dass seine Noah Frage nicht auftaucht und mokiert, dass unser Ratsherr Klippert da viel mehr und besser zitiert wurde.
Wir haben übrigens auch mal einen Antrag auf Wortprotokolle >> gestellt (die Leute labern einfach echt viel Mist im Rat, da muss man dann auch zu stehen können), am Ende haben wir den Antrag zurück gezogen, weil es noch Klärungsbedarf gab, aber das war alles so bürokratisch und öde, dass wir uns mit den Verlaufsprotokollen abgefunden haben. Eins der beliebtesten Wörter in diesen Protokollen ist übrigens „konstatiert“. Klingt super smart, kannten wir vorher nicht und können wir euch nur empfehlen!
Am Ende schlägt Braune dann einfach vor, seinen Beitrag als Wortprotokoll hinzuzufügen, dass das aber alles nicht einfach so geht, weiß eigentlich jeder. Dr. Markowis von den Grünen hat die endlose Protokolldiskussion auch ziemlich angenervt >> und sie bezeichnet das was Braune und Hauptstein so von sich geben als „destruktives Verhalten in demokratischen Gremien“. Das kann die AfD wiederum nicht auf sich sitzen lassen, obwohl sie eigentlich nur zum Protokoll sprechen darf >>
Danach wird es ziemlich langweilig und bleibt auch so. Die kurzen weiteren Highlights:
Dirk von den Linken ist froh, dass er 2007 aus der sPD ausgetreten ist >>, weil er als letzter verbliebener Sozialdemokrat die Beitragsfreiheit der Kita verteidigen müsste. Komischerweise lacht dabei kaum jemand, wir fanden das ziemlich unterhaltsam.
Kurz danach spricht FRAKTIONschef Klippert zu den wieder aufgenommen Gebühren für die KITA – Hört selbst und staunt! >>
Direkt danach teilt Döring von der FDP aus >>. Er fängt mit großen Behauptungen an, nämlich
Die FDP ist ja seit Bestehen der Bundesrepublik für die Mitte dieser Gesellschaft zuständig.
Steile These! Wir erinnern uns aus dem Geschichtsunterricht, dass die FDP damals vor allem für das Ende der Entnazifizierung zuständig war. Persilscheinsmiley!
Für Quelle klick hier (wikipedia)
Das median Brutto liegt nach Döring übrigens bei 3.304 €. Bei zwei Vollzeit Arbeitnehmern macht das also 6.608 EUR und die Daten kommen wohl vom Statistischen Bundesamt. Sagt er. Wir haben uns halb totgegooglet, weil wir irgendwie so eine Ahnung hatten, dass wir bei das, was die FDP für die Mitte hält, nicht mitgemeint sein können. Jedenfalls haben wir aber genau diese Zahl nicht finden können, weil das Statistische Bundesamt hauptsächlich Daten zu Haushalten und zu Nettoangaben macht, und vor allem, weil sich die Daten je nachdem ob weiblich oder männlicher Arbeitnehmer halt auch sehr unterscheiden (Gender Pay Gap und Teilzeit und Care-Arbeit und und und).
- Hier Daten des statistischen Bundesamts zur Einkommensverteilung (Nettoäquivalenzeinkommen) in Deutschland (m/w) >>
- Hier Bruttoverdienste und Arbeitszeiten, Ergebnisse für das 4. Quartal 2019 >>
- Und hier Einkommen, Einnahmen und Ausgaben privater Haushalte im Zeitvergleich Deutschland >>
- Und hier Durchschnittliche Bruttojahresverdienste von Vollzeitbeschäftigten im Jahr 2019 >> wo man sogar auf 4.400 EUR durchschnittlich kommt (Westdeutschland, Produzierendes Gewerbe und Dienstleistungsbereich im Jahr: 52.803 EUR)
- Oder hier zu den Verdiensten und Verdienstunterschieden >> wo wir speziell auf dieses Zitat hinweisen wollen:
Wichtig für die Interpretation dieser Werte ist eine Vorstellung über die Verteilung der Beschäftigten um diesen Mittelwert: Aus der Verdienststrukturerhebung 2014 ist bekannt, dass knapp 2 von 3 Vollzeitbeschäftigten (63 %) weniger verdienen als den gesamtwirtschaftlichen Durchschnittswert; nur ein gutes Drittel (37 %) hat höhere Bruttoverdienste. Dieses Drittel hat so hohe Verdienste, dass der Durchschnittswert für alle Beschäftigten „nach oben“ gezogen wird.
Weil Döring auch oft MEDIAN sagt, als würde das die Ungenauigkeit seiner Aussage irgendwie erklären bzw. das eben Zitierte erklären (nein tut es nicht), hier noch eine kurze Info zum Thema Median Einkommen >>.
TLDR:
Dörings Zahl mag zwar vielleicht korrekt sein oder korrekt gewesen sein (wo immer er sie auch her hat), aber wie sich jeder denken kann, lässt sie ziemlich viele wichtige Aspekte außer acht (z.B. dass ja gerade im Bereich Familien mit Kita Kindern es quasi selten zwei Vollzeit AN gibt oder überhaupt geben kann), sodass eben nicht zwei Vollzeit Arbeitnehmer automatisch über 6.600 € brutto (MEDIAN) verdienen.
Danach gehts um extra Schilder für Blinde und Olli erklärt, warum wir dem Antrag nicht zustimmen >>
So, anfangs hatte Herrmann ja darauf hingewiesen, dass Anträge nicht extra vorgelesen werden müssen. Warum? Darum >>. Hier der Antrag zum lesen >> und hier nun erläutert Fraktionsvorsitzender Klippert, warum gerade dieser Antrag von der AfD zum Thema Little Homes für Obdachlose ziemlich perfide ist >>
Und zu guter letzt ein Klassiker der AfD (hier ein älterer Blog Beitrag >>), den es gefühlt längere Zeit nicht mehr zu hören gab, der uns aber doch seit Beginn der Ratsperiode konstant begleitet: PARAGRAPH 16a ABSATZ 2!! >>
Bei Paragraph 16a handelt es sich um den Teil aus den Grundgesetz, der sich mit Asyl beschäftigt (check hier für den ganzen Paragraph >>) und auf diesen Paragraphen bzw. den Absatz 2 Zitat“Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist (…)“ bezieht sich die AfD stets, wenn sie „Frau Merkel“ den „Verfassungsbruch“ vorwirft. Dass das juristisch und auch sonst so nicht richtig ist, wurde der AfD schon von vielen Parteien im Rat erklärt, aber die scheinen das leider nicht hören und/oder nicht verstehen zu wollen.
Ein Beispiel für Diskussionen zum Thema SECHZEHN A (und wie ein Verlaufsprotokoll aussieht!) haben wir nochmal fix rausgesucht. Der AfD Antrag aus dem Jahr 2017 bezieht sich auf die Rückerstattung von Asylkosten, hier könnt ihr das Protokoll dazu lesen >>
(TOP 14. / Antrag der AfD-Fraktion zur Erstattung von Asylkosten / (Drucks. Nr. 2028/2017)
Wenn es Wortprotokolle gäbe, könntet ihr dort den gesamten Redebeitrag von Klippert finden, wir haben aber zufälligerweise die Rede noch schriftlich bei uns gefunden und sagen gönnt euch <3.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kameraden,
endlich mal wieder was mit Flüchtlingen, Verfassungsbruch, Artikel 16a und das ganze pipapo. Herr Herrmann sie führen Di Fabio immer gerne ins Feld, wobei langsam die Vermutung aufkommt, mehr haben sie auch nicht als dieses 125 seitige Gutachten des ehemaligen Verfassungsrichters. Traurig genug, noch trauriger allerdings, dass sie das auch nicht wirklich verstanden haben. Herr Haupt…stein, sie sind doch Jura-Student oder? Sie haben das Gutachten doch im Detail durchgelesen oder?
Worum geht es?
Die Fakten sind, dass der Grenzschutz alleine dem Bund obliegt und die Dublin-III-Verordnung es den EU-Mitgliedern überlässt, ob sie freiwillig Schutzgesuche von Flüchtlingen annimmt. Darauf kommt auch di Fabio, um das Ruder aber noch rumzureißen, baut er seine These darauf auf, dass Staatlichkeit (Staatsvolk, Staatsgebiet, Staatsgewalt) die Voraussetzung für das Grundgesetz sei und dieses Staatsgebiet durch eine geschützte Grenze umfasst werden muss!
Nur auf dieser Theorie der Staatslehre von 1900 stützt sich sein ganzes Gutachten, was weder heutige StaatsforscherInnen noch als zeitgemäß erachten, noch für eine wirkliche Klage ausreichen dürfte. Doch fragen wir doch die Fabio selber:Herr Professor Dr. Dr. Udo Di Fabio, war denn da Gesetzesverstoß und Verfassungsbruch im Spiel?
Mit dem starken Wort vom Verfassungsbruch sollte man vorsichtig sein. Man kann darüber juristisch streiten, ob das Verhalten der Bundesregierung im Herbst 2015 in jeder Hinsicht der Gesetzeslage entsprach.
Ich kürze ab…
Vielmehr hat die Bundesregierung entschieden, Menschen aus humanitären und völkerrechtlichen Gründen aufzunehmen, auch wenn sie sich nicht auf Asyl berufen konnten. Das durfte sie nach der Gesetzeslage.Trotzdem hat sich der europäische Gerichtshof mit dem Thema befasst, da Flüchtlinge nach Dublin-III eigentlich dort um Asyl ersuchen müssen, wo sie zuerst ankommen. Das ist übrigens für Deutschland praktisch, denn die weite Route bis zur Nord- und Ostsee nehmen die wenigsten im Kauf. In jedem Fall sagen diese RichterInnen, darf jedes Land AsylbewerberInnen aus humanitären Gründen freiwillig aufnehmen. Das gilt selbst dann, wenn das Land für die Asylanträge eigentlich nicht zuständig ist.