Liebe Abgeordnete,
Eine aktuelle Stunde zum Thema Queerfeindlichkeit. Sowohl wichtig und richtig als auch letztlich wenig hilfreich. Vor allem was können wir zwei als heterosexuell gelesene Menschen da noch hinzufügen?
Wir könnten sagen, dass wir für eine bunte, weltoffene Stadt stehen und dass wir die Schmierereien verurteilen. Sowohl wichtig und richtig als auch letztlich wenig hilfreich. Vor allem aber wurde dies heute schon von den meisten propagiert.
Was wir aber machen können, ist folgendes: Wir könnten vorab unsere Reichweite über Social Media nutzen und queere Menschen fragen, ob sie uns ein paar Einblicke in ihren Alltag geben, denn Queerfeindlichkeit fängt genauso wie Rassismus nicht erst bei Schmierereien oder gar körperliche Gewalt an. Vielmehr sind es die täglichen Diskriminierungen. Die täglichen kleinen Nadelstiche, die nicht zu einer aktuellen Stunde führen. Diese bleiben für die meisten in der Mehrheitsgesellschaft unsichtbar oder werden gar bagatellisiert – als Einzelfälle, als persönliche Wahrnehmung, als etwas, das in unserer offenen Gesellschaft nicht passiert. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Genau dies haben wir getan, wir haben nachgefragt.
Die folgenden Zitate erreichten uns wohlgemerkt innerhalb eines Tages. Sie sind eine unzensierte Wiedergabe einiger Einsendungen und ich möchte sie, liebe Mitmenschen, vor dem folgenden Content warnen. Er ist queerfeindlich. Manchmal explizit, immer unangenehm. Wer dieses nicht hören mag, wofür wir Verständnis haben, sollte jetzt eine Getränkepause einlegen.
In meinem Ausbildungsbetrieb wurde ich, nachdem ich mich bei einem Meister als enby geoutet habe nach meinen Geschlechtsteilen gefragt und welche Pläne für die Angleichung ich denn hätte.
In der Uni, wo ich auch arbeite, erzählte mir eine Kommilitonin, wie sie zwar voll respektiere, dass ich nicht-binär bin, aber an meinen Oberschenkeln und Händen sieht man das ja schon, dass ich ein Mädchen bin.
„Und wenn Du in drei Monaten anders heißen willst?“
„Das ist aber echt schwer sich umzugewöhnen“
„Für mich bleibst Du immer [Deadname]“
„Hoffentlich änderst Du Deinen Namen nicht nochmal, sonst muss ich mir wieder einen anderen Namen merken“.
Jugendliche haben mich, als ich mit meinem Hund draußen war als „Transe“ beschimpft und gesagt ich müsste meine Titten und meinen Arsch besser ausstopfen, um als Frau durchzugehen.
Ich solle erstmal von einem Mann richtig gevögelt werden, dann würde ich wieder auf Männer stehen.
Sicher, dass du keinen Schwanz brauchst?
also bist du noch Jungfrau weil 2 Frauen, dass ist ja kein Sex
Du hast doch aber lange Haare.
Bisexuelle können sich nur nicht entscheiden.
„Mit 16 ist man doch noch nicht lesbisch“
Hab meine Haare abgeschnitten. Reaktion: „Jetzt siehst du auch aus wie ne Lesbe“
„Nach der Logik wär Pädophilie ja auch voll okay“
„Interpersonen sind Missgeburten“ *hier gemeines Lachen einfügen*
Wenn der Arbeitskollege eine Aufgabe nicht mag und sagt: “die Aufgabe ist voll schwul, mach du mal.”
„Bah, das ist ja widerlich.“
„Und sowas wird in Deutschland zugelassen?“
Mir ist ein zugezischtes: “Lesbische Fotzen!“, vor dem Joghurtregal im Supermarkt deutlich lieber als pseudo- therapeutisches Interesse und die äußerst empathische Nachfrage von Arbeitskollegen, Bekannten etc. pp., ob ich denn „Schlimme Erfahrungen mit Männern“ gehabt hätte.
„Ich brauche keine negativ besetzte Erfahrungen mit Männern, um auf Frauen zu stehen“, wird selten als Antwort zugelassen.
Was hier aber ebenfalls dazugehören könnte, wären die alleinigen Blicke derer, die einen schief angucken. Ich finde, dass solche Blicke mehr anrichten als Worte. Man wird nicht als Teil der Gesellschaft angesehen, sondern als etwas Fremdes.
Damit möchte ich mit den Zitaten schließen, mich bedanken bei den Einsender*innen für den Mut und das Vertrauen, mit uns ihre Erfahrungen zu teilen, und möchte mit folgendem abschließen: Die Gruppe DIE LINKE./Die PARTEI im Münchener Stadtrat hat jüngst einen Antrag eingereicht, in dem sie einen Preis für lesbische* Sichtbarkeit und trans* Empowerment fordern. Warum eigentlich nicht?