Was ist eigentlich mit dem Brutalismus Meisterwerk gegenüber des Neuen Rathauses los? Steht es leer? Wird es saniert? Warum wird es nicht abgerissen? Ist es besonders und deshalb schützenswert oder doch nur besonders hässlich? Braucht die Verwaltung nicht größere Büroräume, wäre das nicht ein passender Standort? Wenn dort bis 2018 Flüchtlinge untergebracht wurden, wieso können jetzt keine Obdachlosen dort wohnen? Fragen über Fragen! Hier aber erst noch einmal eine kurze Erinnerung, worüber wir eigentlich sprechen:
ChristianSchd, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Auch wir hatten einige Fragen, wir fahren schließlich oft zum Rathaus und sehen das Gebäude zwangsweise auch recht häufig. In der Presse war in den letzten Monaten eine Posse nach der anderen um die Arbeiten am Maritim Hotel zu lesen. Also haben wir kürzlich der Verwaltung ein paar Fragen gestellt und sie musste antworten. Doch kurz zur Historie bzw. WAS BISHER GESCHAH:
Das Maritim Hotel am Friedrichswall wurde Anfang 2015 an die zur Berliner Intown Gruppe gehörende Friedrichswall GmbH verkauft (Intown hat auch das Ihme Zentrum gekauft). Die Stadt Hannover hat Anfang 2015 das Erbbaurecht (der Stadt gehört das Grundstück, auf dem das Hotel steht) auch an die Friedrichswall GmbH verkauft. In dem Vertrag wurde vereinbart, dass das Hotel saniert wird, und natürlich ein Zeitrahmen für bestimmte Bauabschnitte vereinbart. Ende 2015 wurde dann vom Rat beschlossen, das Hotel zunächst 2 Jahre zu mieten und als Flüchtlingswohnheim zu nutzen (beide Drucksachen sind nicht öffentlich, da Kosten drin stehen bzw. der komplette Erbbaurechtsvertrag). Ende 2018 haben die letzten Flüchtlinge das ehemalige Hotel verlassen. Einen Beginn der Sanierungen konnte man von außen seitdem nicht wirklich feststellen.
Im Sommer ging es dann in der Presse los:
Die Stadt hat 2015 mit Zustimmung des Rates einen Erbbaurechtsvertrag geschlossen worden, der den Erbbauberechtigten, die Firma Intown, unter anderem verpflichtet, das Gebäude zu sanieren und dauerhaft als Hotel zu nutzen. „Wesentliche Verletzungen dieses Vertrages liegen bisher nicht vor, so dass es für eine einseitige Beendigung des Erbbaurechtsvertrages durch die Stadt keine Grundlage gibt“, sagt Dix. Dennoch scheint die Stadt durchaus erwogen zu haben, das ehemalige Hotel zu übernehmen. Intown habe „auf vielfache Nachfragen“ kein Interesse an einem Verkauf oder einer Rückgabe des Erbbaurechtes erkennen lassen, sagt Dix.
"Stadt sieht keine Chance für Übernahme des Maritim", haz vom 08.05.2020
Das hat wohl auch der Investor gelesen und der NP eine ganz andere Geschichte erzählt (denn der hält eine Sanierung generell für nicht mehr wirtschaftlich):
Als Grund dafür soll diese eine Reihe von Gründen gegenüber der Stadt angeführt haben. Zum einen sehen die Investoren Probleme mit der Statik. Der Umbau ließe sich aus ihrer Sicht nur umsetzen, wenn diese für viel Geld ertüchtigt wird. Die technischen Anlagen müssten – anders als gedacht – komplett ausgetauscht werden, die Tiefgarage sei in schlechtem Zustand, der Brandschutz würde sehr teuer.
Auch ist das Gebäude aus Sicht der Friedrichswall GmbH nicht geeignet, um darin ein modernes Hotel heutigen gehobenen Standards unterzubringen, wie es der Investor eigentlich wollte – inklusive Skybar mit spektakulärem Blick auf das Neue Rathaus. Die Räume seien zu niedrig, um eine leistungsfähige Lüftung zu installieren. Zudem könne aus statischen Gründen ihre Größe nicht verändert werden, heißt es. Mehr als drei Sterne seien kaum zu erreichen. Deshalb gestalte sich die Suche nach einem Betreiber für das Hotel als schwierig.
Der folgende Absatz hat uns dann aber immens irritiert:
Wie die NP aus Rathauskreisen erfuhr, hat die Verwaltung den Plänen jedoch bereits im Februar eine Abfuhr erteilt. Sie kann nicht nur über den Bebauungsplan Einfluss nehmen, sondern kann auch ein Wörtchen mitreden, weil sie Eigentümerin der Fläche ist, auf der das alte Maritim-Hotel steht. Mit dem Eigentümer der Immobilie besteht ein Erbbaurechtsvertrag. Auf dessen Einhaltung soll die Stadt pochen, weil dieser ausschließlich die Sanierung des Gebäudes, nicht aber einen Neubau vorsehe. Ohne das Vorliegen belastbarer Gutachten, aus denen hervorgeht, dass der Erhalt des Baus wirtschaftlich oder technisch unmöglich ist, will sie offenbar keinem Abriss zustimmen.
"Ehemaliges Maritim-Hotel: Investor will Gebäude abreißen", NP vom 24.06.2020
Die Politik äußerte sich auf diese Vorschläge etwas seltsam (wenn man mal ein bisschen drüber nachdenkt:
„Bislang hat sich der Investor nicht an seine Pläne und an die Absprachen gehalten“, kritisiert SPD-Fraktionschef Lars Kelich. Der Eigentümer müsse erst einmal Vertrauen schaffen, bevor man sich über Veränderungen der Pläne unterhalten könne. „Der derzeitige Zustand ist nicht zufriedenstellend – weder für die Stadt noch für den Investor“, stellt Kelich klar. Dies könne aber eine Basis für neue Gespräche sein. Aus seiner Sicht müsse das Gebäude nicht zwingend wieder ein Hotel werden.
Elisabeth-Clausen Muradian (Grüne) hält das Vorgehen des Investors nicht für vertrauenswürdig. „Man sollte sich an die Verträge halten und sie auch erfüllen“, sagt die grüne Bauexpertin. Sie befürchtet, dass die neuen Ideen nur vorgeschoben sind, um die eigentlichen Pläne zu kaschieren. „Der Standort ist gut geeignet für ein Hotel“, meint sie.
"Kein Vertrauen in Investor: Skepsis über neue Pläne fürs Maritim-Hotel", NP 26.06.2020
Dann wurde es endlich richtig skurril: Angeblich weil SPD-Fraktionschef Kelich im Frühling vorgeschlagen hatte, dass das Hotelgebäude künftig für Büros genutzt werden könnte, hatte der Investor kurz Hoffnung gefasst, aus der Sanierung doch noch rauszukommen. Intown findet nämlich seit Monaten keinen Betreiber für das neue alte Hotel, schon gar nicht einen Endinvestor. Für die Hotelbranche läuft es seit Corona ja gerade auch nicht sonderlich gut. Weil die Stadt aber NEIN sagt, beteuert Intown dann, die Sanierung wieder aufzunehmen, auch wenn Intown selbst von den Schadstofffunden kurz zuvor angeblich überrascht worden sei.
Und dann ging es innerhalb eines Monats richtig rund:
Soviel also zur Vorgeschichte. Wir als Fraktion die FRAKTION haben der Verwaltung bzw. dem Baudezernat dann folgende einfache Fragen gestellt:
- Warum hält die Verwaltung trotz der neuen Erkenntnisse* an der Vorgabe „Sanierung statt Abriss“ fest?
- Aus städtebaulicher Sicht: Würde sich die Stadt mittlerweile eine andere Nutzung des Grundstücks wünschen oder gar benötigen?
- Wenn der Investor und die Verwaltung der LHH durch die neuen Erkenntnisse* eine Sanierung als nicht mehr angemessen betrachten, kann der Vertrag aufgelöst oder mit neu definierten Bedingungen geändert werden?
*Schadstoffbelastung, Kosten, Platzbedarf der LHH für eigene Mitarbeiter*innen
Die Antwort der Verwaltung könnt ihr hier nachlesen >> in Kurzform heißt es:
- Mit Schadstofffunden war zu rechnen (Anm. d. Red: der Schadstoffkatalog fasst derzeit 160 Seiten)
- Nein, der Standort ist super für ein Hotel geeignet
- Verträge können geändert werden, aber: „Für die Verwaltung ist aus strukturellen Gründen und aus Gründen der Durchsetzbarkeit städtischer Interessen eine Vertragsänderung nicht vorgesehen.“

Das ehemalige Maritim Hotel von hinten. Am linken Bildrand erblickt man die imposante Kuppel des Neuen Rathauses
Gerd Fahrenhorst, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons
Sollte sich Intown mit der Sanierung weiter viel Zeit lassen (momentan darf ja sowieso niemand mehr auf die Baustelle und ein Ende ist auch nicht abzusehen), kann die Stadt die Nichteinhaltung des Vertrags sanktionieren und den Vertrag ggf. rückgängig machen. Und dann geht alles wieder von vorne los. Smiley!