Nachdem der „Lockdown“ im Mai langsam ausgelaufen ist, trafen sich plötzlich wieder viel mehr Leute draußen – in der Außengastronomie (wer es sich denn leisten konnte), oder einfach so draußen (vor allem Jugendliche, die auch damals noch keine Aussicht auf ein Impfangebot hatten). Für die FRAKTION alles nicht überraschend: damit hätte man damit durchaus rechnen können!

Womit man auch hätte rechnen können: Dass die Parties nach über einem Jahr Pandemie größer, lauter und eben leider auch mit mehr Müll verbunden sein werden, schließlich waren/sind Clubs immer noch geschlossen oder nur teilweise geöffnet. Also eigentlich alles vorhersehbar. Trotzdem empörten sich Presse, Politik und Anwohner*innen über laute Parties in den Gärten, Parks und Straßen dieser Stadt – während vor allem die Boomer schon seit Wochen wieder das tun konnten, was sie wollten.

In letzter Zeit nun wendet sich das Blatt zusehends: Es wird wieder vermehrt eine Nachtbürgermeister*in gefordert (wobei die Forderung danach auch schon ein paar prä-pandemische Jahre auf dem Buckel hat) und sogar die Politik zeigt sich plötzlich richtig verständnisvoll den Jugendlichen gegenüber:

Denkt endlich an die Jugendlichen: sPD

 

Die haz findet das Sitzungsmanagement offenbar so ätzend wie wir, aber keine Sorge: Aufklärung folgt!

Wahlkampf sei Dank! Aber: Hätte man denn nicht proaktiv in der Politik handeln können? Man hätte! Es gab sogar diverse Möglichkeiten! Aber man wollte nicht:

Im jährlich stattfindenden Pimp-your-Town-Planspiel erarbeiten Jugendliche eigene Anträge, diese werden dann teilweise tatsächlich beschlossen. Im Mai 2020 (also nach 2 Monaten Pandemie) zum Beispiel dieser Antrag: Einrichtung von öffentlichen Bühnen für kulturelle Veranstaltungen

In der Sommerpause haben wir dann mal bei der Verwaltung nachgefragt wie so der Status ist und waren mächtigst erschrocken, denn wegen Corona wurde die Planung zurückgestellt, wenn ja genau wegen Corona die Planung eigentlich SCHNELLER passieren sollte, und genau das haben wir auch in die Begründung unseres Antrag geschrieben, wo wir die sofortige Umsetzung des Pimp-your-Town-Antrags fordern. Die Dringlichkeit wurde am 24.09.2020 abgelehnt.

Also haben wir den Antrag noch einmal nicht dringlich, also normal ins Verfahren gebracht:
Im Kulturausschuss: Abgelehnt. Mit welcher Begründung? Mit diesen hier:

TOP 6.
Antrag der Fraktion Die FRAKTION zur sofortigen Umsetzung der DS 0763/2020: “Einrichtung von öffentlichen Bühnen für kulturelle Veranstaltungen”
(Drucks. Nr. 2281/2020)

Ratsmitglied Klippert erläutert seinen Antrag und bittet um Zustimmung.

Ratsherr Dr. Gardemin (Grün) bittet um Erläuterung, ob die aktuellen Corona-Beschränkungen den Inhalten des Antrags entgegensprechen oder ob sie umsetzbar wären.

Stadträtin Beckedorf bestätigt, dass die derzeitigen Beschränkungen keinen Kulturbetrieb zulassen, man die Zeit aber dennoch nutzen sollte um ein Konzept zu erarbeiten, um für eine Wiederaufnahme des Kulturbetriebs vorbereitet zu sein.

Ratsherr Markurth (sPD) vertritt die Ansicht, dass der Antrag aufgrund des aktuellen Lockdowns obsolet ist und kündigt an, ihn abzulehnen.

Ratsmitglied Klippert präzisiert seinen Antrag dahingehend, dass die Verwaltung ein Konzept für die Zukunft erarbeitet soll, um nach Ende des Lockdowns Vorschläge und Lösungen für einen geregelten Kulturbetrieb parat zu haben.

Ratsherr Engelke (FDP) fasst zusammen, dass der diesem Antrag zugrundeliegende Antrag bereits beschlossen wurde und der Verwaltung Zeit gelassen werden muss, um sich der Sache anzunehmen. Würde jeder Antrag, der noch nicht seitens der Verwaltung umgesetzt wurde, erneut beantragt, so würde der Rat sich mit nichts Anderem mehr beschäftigen.

4 Stimmen dafür, 7 Stimmen dagegen, 0 Enthaltungen

Der Antrag endete dann im nicht-öffentlichen Verwaltungsausschuss, von dem es kein Protokoll gibt, und wurde dort natürlich abgelehnt. Aber wir hatten da noch eine Idee!

Und zwar öffentliche Flächen für Jugendparties. Auch hier haben wir zuerst einen Dringlichkeitsantrag in den Rat eingebracht, und zwar auch schon im Herbst, weil war ja Corona, viel zu tun, dies, das, aber mit ordentlich Vorlauf hätten diese Flächen ja pünktlich zum Sommer fertig sein können, wenn eben das Abflauen der Winterwelle durchaus absehbar wäre. Auch hier wurde die Dringlichkeit im Rat abgelehnt, auch hier haben wir den Antrag wieder normal ins Verfahren gebracht. Im Jugendhilfeausschuss:

TOP 6.
Antrag der Fraktion Die FRAKTION: Züricher Modell für nichtkommerzielle Jugendparties adaptieren
(Drucks. Nr. 2280/2020)

Herr Rüter (beratendes Mitglied) berichtete, dass insbesondere aufgrund der aktuellen Situation und aufgrund von eingeschränkten Möglichkeiten ein Ansturm auf solche Formate nach Ende der Pandemie zu erwarten sei. Solche Projekte sollten begleitet werden und böten die Möglichkeit, im Rahmen von Kinder- und Jugendarbeit auf die Zielgruppen zuzugehen.

Antrag

Die Verwaltung wird beauftragt, bis Ende Oktober 2020 alle Freiflächen innerhalb der Stadt zu nennen, die sich für die Zurverfügungstellung für nichtkommerzielle Jugendparties eignen. Bevorzugt zu nennen sind Freiflächen im innerstädtischen Raum. Für die Auswahl wird das Züricher Modell für Jugendparties* zugrunde gelegt, mit entsprechender Abwandlung für die Landeshauptstadt Hannover.

6 Stimmen dafür, 9 Stimmen dagegen, 0 Enthaltungen

 

Das Protokoll aus dem Kulturausschuss ist ein Schaustück dafür, aus welchen Gründen sinnvolle Anträge im Stadtrat abgelehnt werden:

1. Gewollt missverstehen und der Verwaltung jegliche Fähigkeit zur Verbesserung absprechen, oder anders gesagt: Wenn es keine Modellprojekte gibt nach Modellprojekten schreien und wenn es Modellprojekte gibt, aber man dem Antrag einfach nicht zustimmen will sagen, dass es ja Problem xy gegeben habe:

Ratsherr Engelke (FDP) erklärt, dass er sich ebenfalls mit dem Züricher Konzept von Jugendpartys beschäftigt hat und dabei einige Fragen aufgekommen sind. Die Teilnehmer*innen haben ein Merkblatt mit den entsprechenden Regelungen bekommen, an die sich jedoch nicht gehalten wurde. Zudem wurden die Jugendpartys kommerzialisiert und zur Erzielung von Gewinnen genutzt. Auch waren die Plätze teilweise überfüllt, es gab erhebliche Anwohnerbeschwerden wegen Lärm und Haftungs- und Sicherheitsfragen sind entstanden. Grundsätzlich findet er die Idee gut, aber er sieht keine Möglichkeit diese Probleme in den Griff zu bekommen.

2. Der Wind steht dafür gerade nicht günstig:

Ratsfrau Zaman (sPD)  findet, dass der Antrag nicht zur aktuellen Zeit passt. Es ist nicht absehbar, welche Regelungen im Sommer bestehen werden, jedoch denkt sie nicht, dass es dieses Jahr möglich ist, wieder größere Veranstaltungen in einem solchen Format durchzuführen. Möglicherweise verliert eine solche, durch die Stadt organisierte Party, auch an Reiz und es werden weiterhin nur Partys in den eigenen Kreisen durchgeführt. Im Zweifel sollte das Konzept von Jugendpartys in den Bezirksräten entschieden werden, da diese die örtlichen Begebenheiten kennen. Die SPD lehne den Antrag daher ab.Ratsherr Nicholls (sPD) dankt für die vorangegangenen Ausführungen. Die aktuellen Corona-Mutationen zeigen, was passiert, wenn man sich nicht an die Regelungen hält. Den Antrag findet er aktuell unangebracht.

Herr Jacobs (Verwaltung) erläutert, dass im Rahmen des Kulturentwicklungsplans schon geprüft wird, inwieweit man Flächen spontan und niedrigschwellig zur Verfügung stellen kann. Das Konzept der „Spontanpartys“ bestand auch schon vor der Corona-Pandemie. In der Vergangenheit gab es hierzu beispielsweise in Zusammenarbeit mit dem städtischen Eventmanagement einige Versuche auf der Schwanenburgwiese, welche gut geklappt haben. Es gibt zudem bereits seit einigen Jahren in Kooperation mit der Agentur für kreative Zwischenraumnutzung Fortbildungen für die Veranstalter. Im letzten Jahr gab es zusammen mit den Auszubildenden des Musikzentraums auf der Faustwiese ein Experimentierfeld, welches gut funktioniert hat. Für das kommende Frühjahr und den Sommer wird geprüft, ob das Konzept weiter umgesetzt und verbessert werden kann. Beispielsweise wird bei der Örtlichkeit „Kulturhafen“ geschaut, ob dort sichere Partys unter Einhaltung der entsprechenden Regelungen durchgeführt werden können.
Das bekannte „Limmern“ kann jedoch nicht mit solchen Veranstaltungen zusammen betrachtet werden, unter anderem weil die Gruppen sehr heterogen sind.

Ratsmitglied Klippert sagt aus, dass natürlich Probleme entstehen können. Allerdings gibt es schon zahlreiche illegale Partys und es ist besser, diese entsprechend anzuleiten. Die anderen Negativbeiträge kann er nicht nachvollziehen, da man auch an den Ausführungen von Herrn Jacobs sieht, dass ein solches Konzept sogar schon in der Planung ist.

3. Sie wollen über Parties reden während LEUTE STERBEN

Ratsherr Markurth (sPD) erinnert daran, dass das Land derzeit darum ringt, Kitas und Schulen öffnen zu können, der Einzelhandel am Boden ist und zahlreiche Menschen sterben. Es ist daher unangebracht sich derzeit mit dem Thema Jugendpartys zu beschäftigen und es würde ein falsches politisches Signal senden, wenn man diesem Antrag jetzt zustimmen würde.

4. Kompletter Wahnsinn einfach

Ratsherr Zingler (Linke) weist darauf hin, dass die Stadtverwaltung eh schon an dem Konzept arbeitet und sie deshalb dem Antrag zustimmen werden.

Ratsherr Dr. Gardemin (Grüne) erklärt, dass „Limmern“ grundsätzlich möglich ist, solange die Regelungen eingehalten werden. Es ist positiv, dass sich die Verwaltung mit dem Konzept befasst, da es im kommenden Sommer sicherlich wieder thematisiert werden wird.

Ratsmitglied Klippert sagt, dass es darum geht, frühzeitig eine Lösung zu finden und bereit zu sein, wenn das Problem wieder aktuell wird.

Ratsherr Karger (AFD!!?) sieht ebenfalls die Problematik, dem Antrag zum jetzigen Zeitpunkt zuzustimmen. Insbesondere den vielen Berufsgruppen, die unter der Pandemie leiden, ist es nicht vernünftig zu vermitteln, wenn aktuell Jugendpartys geplant werden. Der Antrag ist grundsätzlich sinnvoll. Er schlägt vor den Antrag zum jetzigen Zeitpunkt zurückzuziehen und zu einem geeigneten Zeitpunkt abzustimmen.

Herr Jacobs (Verwaltung) erklärt, dass das Thema bearbeitet wird und er hofft, eine gute Lösung für den kommenden Sommer zu finden.

Antrag

Die Verwaltung wird beauftragt, bis Ende Oktober 2020 alle Freiflächen innerhalb der Stadt zu nennen, die sich für die Zurverfügungstellung für nichtkommerzielle Jugendparties eignen. Bevorzugt zu nennen sind Freiflächen im innerstädtischen Raum. Für die Auswahl wird das Züricher Modell für Jugendparties* zugrunde gelegt, mit entsprechender Abwandlung für die Landeshauptstadt Hannover.

1 Stimme dafür, 10 Stimmen dagegen, 0 Enthaltungen

Wir sehen nun (September 2021) also, dass es unnötig war, den Antrag politisch noch einmal Gewicht zu verleihen, indem man ihn beschließt, weil die Verwaltung ja eh dran gearbeitet hat und davon ausging, im Sommer ein fertiges Konzept zu haben. Toll!

Ähnlich aber anders lief es beim Thema Nachtbürgermeister*in. Wir haben ja oben bereits geschrieben, dass Parteien Modellprojekte lieben. Wenn es bereits zig Modellprojekte gibt, aber innerparteilich noch kein Konsens herrscht, oder man Angst hat Boomer-Wähler*innen zu verprellen, dann wird eine ANHÖRUNG beantragt.

So geschehen zum Beispiel auch beim Thema Streaming von Sitzungen (immer noch keine Umsetzung in Sicht) und auch beim – es wird peinlich – Thema Nachtbürgermeister*in. Hier der Antrag  >>

Heute ist der letzte reguläre Arbeitstag der Fraktion Die FRAKTION vor der Wahl, wir haben schon Sekt getrunken und beenden damit diesen Blog-Eintrag, Prost!